Letzte Woche hatte ich die im Moment so seltenen Sonnenstrahlen in mein Wohnzimmer eingeladen. Die Terrassentüre war weit offen und ich saß in meinem gemütlichen Sessel als plötzlich die Nachbarkatze hereinspazierte und sich auf meinen Schoß legte. In dieser Sekunde wurde mir schlagartig bewusst: das letzte Mal, dass ich hier mit einer Katze gesessen bin, war als Mucki auf meinem Schoß in eben diesem Sessel diese Welt verlassen hat. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie traurig ich in dem Moment war. Und dann die Erkenntnis: Es gibt also auch noch fast zwei Jahre nach Muckis Tod immer noch ein “erstes Mal”. Die Trauer hatte mir eine neue Postkarte geschickt.
Das ist die Natur der Trauer: Sie ist kein gerader Weg, sondern eine Reise mit unzähligen Abzweigungen, an denen wir uns immer wieder an besondere Augenblicke erinnert fühlen.
Für mich sind Erinnerungen wie Postkarten der Trauer. Manchmal erzählen sie von wunderschönen Erinnerungen, die mir ein warmes Lächeln ins Gesicht zaubern. Und manchmal sind es eben solche Momente, wie ich ihn letzte Woche erlebt habe – Augenblicke, die plötzliche Traurigkeit hervorrufen.
Dankbarkeit für die Postkarten schöner Momente
Wenn wir auf all die schönen Momente zurückblicken, wird uns – wenn die Wucht des ersten Schmerzes nachgelassen hat – bewusst, was für ein Geschenk die Zeit mit unserem geliebten Tier war. Die gemeinsamen Augenblicke, die Liebe, die Freude – all das sind kleine Schätze, die wir für immer in uns tragen. Auch wenn Mucki nun nicht mehr bei mir ist, lebt seine Seele in all den kleinen Erinnerungen weiter, die mich mit Dankbarkeit erfüllen. Die Liebe, die er mir geschenkt hat, ist unvergänglich und ein Teil von mir geworden. Tiere geben uns so viel – sie lehren uns, bedingungslos zu lieben, im Moment zu leben und die kleinen Freuden zu schätzen.
Es ist diese Dankbarkeit, die uns auch die Kraft gibt, auch in schmerzhaften Momenten Trost zu finden. Ja, es tut weh, an jene Abschiede zu denken, aber ebenso lässt es uns erkennen, wie wertvoll diese Momente waren und immer noch sind. Jeder Gedanke an Mucki zeigt mir, dass er nie wirklich fort ist.
Wenn die Vergangenheit schmerzvolle Postkarten der Trauer schickt
Schmerzhafte Erinnerungen gehören unweigerlich zur Trauer. Oft sind wir diesen Momenten zu Beginn der Trauer hilflos ausgeliefert, überwältigt von der Intensität des Schmerzes, der mit ihnen einhergeht. Es ist, als ob uns die Erinnerungen überrollen und wir kaum wissen, wie wir damit umgehen sollen. In diesen Augenblicken spüren wir die Leere und den Verlust besonders stark, und es scheint fast unmöglich, irgendetwas anderes als den Schmerz zu fühlen.
Der Abschied selbst ist ein großer Teil dieser Erinnerungen, aber auch all die kleinen, alltäglichen Momente sind oft schmerzhaft, wenn sie uns daran erinnern, was wir verloren haben.
Trauerarbeit bedeutet, nach und nach zu lernen, diesen Erinnerungen mit einem liebevollen Blick zu begegnen. Es geht darum, sich dem Schmerz zu stellen, ihn zuzulassen, aber auch zu versuchen, ihn irgendwann nicht mehr nur als Schmerz wahrzunehmen. Mit der Zeit können wir lernen, auch in den schmerzhaften Momenten etwas anderes zu entdecken – vielleicht eine Erinnerung an die Wärme und die Liebe oder ein Gefühl der Dankbarkeit dafür, dass wir überhaupt diese tiefe Verbindung erleben durften.
Trauern ist eine Reise, die Geduld und Mitgefühl für uns selbst braucht. In meinem Buch „Weil jede Trauer Liebe ist“ begleite ich dich Schritt für Schritt liebevoll auf dieser Reise.
Der Weg der Trauer
Trauerarbeit ist eine Reise, die so individuell ist wie die Beziehung, die wir zu unserem Seelentier hatten. Die Trauerforschung beschreibt zwar verschiedene Phasen der Verarbeitung – von anfänglicher Verleugnung über Wut und Verzweiflung bis hin zu Akzeptanz und innerem Frieden. Doch diese Phasen folgen keinem festen Ablauf; oft bewegen wir uns vor und zurück, durchleben bestimmte Gefühle wiederholt oder in neuer Intensität. Und plötzlich ist da fast Jahre nach dem Abschied ein „erstes Mal“.
Ein wesentlicher Bestandteil der Trauerarbeit ist, den Schmerz anzunehmen und ihm Raum zu geben, ohne von ihm überwältigt zu werden. Schmerz ist nicht etwas, das rasch „besiegt“ werden muss; er ist ein natürlicher Ausdruck unserer Liebe und Verbundenheit. Indem wir lernen, diesen Schmerz bewusst wahrzunehmen, erlauben wir uns, die Erinnerungen und Gefühle zu würdigen, die damit verbunden sind.
Trauerarbeit erfordert Geduld und Mitgefühl mit dir selbst – besonders dann, wenn alte Wunden unerwartet aufbrechen oder sich neue Erinnerungen wie Postkarten der Trauer schmerzhaft zeigen.
Gleichzeitig hilft es, nicht nur die dunklen Momente zu sehen, sondern auch die Liebe, die in diesen Erinnerungen steckt. Die Trauer zeigt uns, dass das, was wir verloren haben, von großer Bedeutung war. In dem Maße, wie wir diese Bedeutung schätzen und uns bewusst daran erinnern, kann der Schmerz sich allmählich verändern. Wir können lernen, ihn als Teil unseres Weges zu akzeptieren und dabei immer wieder kleine Inseln des inneren Friedens und der Dankbarkeit zu finden. Wenn wir das tun, wird der Schmerz nach und nach leichter und sanfter.
SOS-Schreibübung: Wenn der Schmerz plötzlich um die Ecke biegt
Wer mich kennt weiß, dass ich im eingangs erzählten Moment zu Stift und Papier gegriffen habe. Gerne möchte ich meinen Schreibimpuls mit dir teilen. Er ist dafür gedacht, dir in einem Moment akuten Schmerzes zu helfen, dich mit den Gefühlen auseinanderzusetzen, ihn bewusst wahrzunehmen und dann wieder loszulassen. Er soll dir dabei helfen, dem Schmerz Raum zu geben, ohne dich von ihm überwältigen zu lassen.
🛋️ Setz dich mit Stift und Papier an einen ruhigen Ort.
🫁 Nimm ein paar tiefe Atemzüge und spüre kurz in dich hinein.
😖 Spüre den Schmerz, ohne ihn wegzudrücken – akzeptiere, dass er jetzt gerade da ist.
✍️ Beschreibe den Schmerz, wie du ihn wahrnimmst. Schreibe einige Sätze darüber, wie sich der Schmerz anfühlt. Wo spürst du ihn in deinem Körper? Welche Gedanken oder Bilder kommen in dir auf? Lass einfach alles raus, ohne zu bewerten oder zu analysieren. Dieses Blatt Papier ist ein sicherer Raum, um alles zuzulassen.
💭 Erinnere dich an den Ursprung dieses Schmerzes. Notiere den konkreten Moment oder die Erinnerung, die diesen Schmerz ausgelöst hat. Beschreibe die Situation und die damit verbundenen Emotionen so detailliert, wie es dir angenehm ist. Mach dir bewusst, dass der Schmerz eine Verbindung zu einem wertvollen Moment oder zu einem geliebten Wesen ist.
3️⃣ Schreibe drei Dinge auf, die dir diese Erinnerung bedeutet. Versuche, in diesem Schmerz auch eine helle Facette zu sehen. Vielleicht war es ein Moment großer Nähe, ein Ausdruck von Liebe oder ein Geschenk der Verbundenheit. Das kann helfen, den Schmerz in einen größeren Zusammenhang zu stellen und ihn als Teil deiner Geschichte zu akzeptieren.
Für mich hat das letzte Woche bedeutet: Ja, auch der Moment des Todes ist für mich ein wertvoller Augenblick, denn es ist jener unseres letzten gemeinsamen Atemzugs und unseres letzten gemeinsamen Herzschlags.
🙏 Bedanke dich bei der Erinnerung oder deinem geliebten Tier. Schreibe einen Satz wie: „Ich danke dir für die Liebe, die du mir geschenkt hast.“
🔥 Schreibe zum Abschluss „Ich lasse diesen Schmerz jetzt los.“ auf einen kleinen Zettel. Schließe die Augen und atme tief ein und aus, um das Loslassen bewusst zu spüren. Falte das Papier oder lege es beiseite. Du kannst das Geschriebene behalten oder später, wenn es sich richtig anfühlt, verbrennen oder zerreißen.
Ich freue mich, wenn du deine Erfahrung mit diesem Schreibimpuls oder dem Thema „Postkarten der Trauer“ in der Facebook Gruppe Pfotentrauer 🐾 mit uns teilst.
Alles Liebe 🫶
Claudia
PS.: Mehr über die heilsame Kraft des Schreibens kannst du in diesem Beitrag lesen.
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