Als mein Kater Mucki starb, wusste ich nicht, dass ein Herz so weh tun kann.
Ich dachte immer, „Herzschmerz“ sei eine Redewendung, aber es war so unmittelbar spürbar: mein Brustkorb zog sich zusammen und ich konnte über Tage hinweg kaum atmen. Mittlerweile weiß ich, dass ich damit nicht alleine bin und es vielen Menschen im Schmerz um ihr geliebtes Tier so geht.
Denn: Trauer ist kein reines Gefühl. Sie ist ein komplexer Zustand: seelisch, geistig und körperlich.
Neurowissenschaftliche Studien zeigen sogar, dass emotionale Schmerzen und körperliche Schmerzen im Gehirn überlappende Regionen aktivieren. Das erklärt, warum Trauer auch als physischen Schmerz erlebt wird und warum der Zustand starke Auswirkungen auf den Körper haben kann.
Der Schmerz und seine vielen Gesichter
Die Wucht des ersten Schmerzes
Direkt nach dem Tod ihres Lieblings erleben die meisten Menschen intensive Emotionen wie überwältigende Traurigkeit, Verzweiflung, Angst, Wut und Schuldgefühle. Diese Phase ist meist von innerer Erschütterung sowie emotionalem Chaos geprägt und gleicht oft einem seelischen Erdbeben.
Wenn der Schmerz zum Dauermieter wird
Bei einigen Menschen bleibt der Schmerz über einen langen Zeitraum bestehen und beeinträchtigt den Alltag nachhaltig. Diese Form kann zu ernsthaften psychischen und physischen Krankheiten führen, wenn sie nicht verarbeitet wird. Darum werde ich nicht müde, in meinen Blogbeiträgen und auf meinen Social Media Kanälen immer wieder zu schreiben, wie wichtig es ist, sich bewusst seinem Schmerz zu stellen und ihn so zu verarbeiten.
Der Schmerz, der später plötzlich kommt
Manchmal tritt der Schmerz erst mit Verzögerung auf, beispielsweise wenn Menschen die Trauer anfangs verdrängen, sich nicht erlauben, sie zu fühlen oder der Schock – etwa wenn das geliebte Tier plötzlich oder gewaltsam stirbt – sehr groß ist. Dann kann die Trauer Wochen oder oft auch Monate später plötzlich und heftig wie „aus dem Nichts“ ausbrechen.
Antizipierter Trauerschmerz
Diesen Schmerz nennt man oft auch „Vortrauer“, denn er entsteht bereits vor dem tatsächlichen Verlust, etwa wenn geliebte Tier schwer krank ist und der Abschied erwartet wird. Rückblickend kann ich sagen, dass es auch mir bei Mucki so ging. Das war einerseits schwer, denn ich wollte ja unsere letzten gemeinsamen Wochen so gut es geht noch genießen indem ich ihm und mir viele schöne Momente schenke. Andererseits hatte ich so die Möglichkeit, mich „vorzubereiten“ – vor allem organisatorisch, aber auch emotional. Und auch wenn sein Tod mir dennoch den Boden unter den Füßen weggezogen hat, hat es mir auch geholfen, meine Trauer so zu verarbeiten, dass ich gestärkt aus ihr hervorgegangen bin.
Schmerz ist nicht gleich Schmerz
Der Schmerz hat viele Gesichter und kann sich in Wut, Angst, Verzweiflung, Sehnsucht, Schuld, Einsamkeit, Leere und ja, auch Dankbarkeit und Liebe ausdrücken. Und jede dieser Variationen des Schmerzes benötigt eine andere Form unserer Zuwendung, um verarbeitet werden zu können. In meinem Buch „Weil jede Trauer Liebe ist“ begleite ich Schritt für Schritt dabei. Diese Gefühlsvielfalt zeigt auch, dass Trauer weit mehr ist als nur Traurigkeit.
Psychosomatische Schmerzen
Wie eingangs schon geschrieben, manifestiert sich seelischer Schmerz oft auch in körperlichen Symptomen, wie Herz- und Brustschmerzen, Schlafstörungen, Appetitmangel oder anderen körperlichen Beschwerden. Den Körper ist in die Trauerverarbeitung mit einzubeziehen ist daher unglaublich wichtig und heilsam. Das reicht von der liebevollen Selbstfürsorge bis hin zu einem manchmal völlig neuen Lebensstil.
Zwei dieser Schmerzarten möchte ich mir heute mit dir ein bisschen näher ansehen.
Der akute Schmerz der Trauer um dein Tier: Wenn der Verlust das Leben bestimmt
Unmittelbar nach dem Tod eines Tieres sind wir in einem Ausnahmezustand. Unser Stresssystem ist aktiviert, unser Körper flutet uns mit einem regelrechten Hormoncocktail. Seele wie Körper sucht Halt, wo gerade keiner ist. Diese Zeit ist chaotisch, unvorhersehbar und verläuft trotz einiger Gemeinsamkeiten bei jedem Menschen anders.
Bei manche hören die Tränen nicht auf zu fließen, andere können nicht weinen. Manche frieren, andere fühlen sich komplett überhitzt. Es gibt Menschen, die bringen kaum einen Bissen hinunter, andere berichten von regelrechten Fressattacken. Die meisten schlafen schlecht. All das und noch vieles mehr ist Ausdruck eines großen Verlustes.
Und trotzdem: dieser akute Schmerz ist gesund. Er zeigt, dass dein System auf etwas reagiert, das zu groß ist, um es zu begreifen.
Wichtig ist, dass der tiefe Schmerz anerkannt und durchlebt werden muss. Dabei ist es normal, dass die Intensität und Art des Schmerzes von Mensch zu Mensch verschieden sind.
Mit der Zeit wird diese Welle sanfter. Meist nicht gleichmäßig, aber sie bewegt sich. Mal ist das „Meer aus Schmerz“ tosend, dann herrscht wieder ruhige See bevor die nächste Welle einen überrollt. Wie hoch sie ist und in welchen Abständen sie kommt, ist unterschiedlich. Die Trauerforschung nennt das Adaptation: unser Gehirn sucht langsam neue Wege, die Welt ohne den geliebten Gefährten wieder zu verstehen und in ihr neu leben zu lernen.
Auch wenn diese Intensität und vor allem das oft überraschende „Timing“ überfordernd ist, folgt alles einem natürlichen Prozess. Das sogenannte Duale Prozessmodell beschreibt, dass wir zwischen zwei Polen pendeln: dem Loslassen-Müssen des gemeinsamen irdischen Weges und dem Gestalten einer neuen Verbundenheit. Das Gehirn lernt, Schmerz und Leben gleichzeitig zuzulassen.
Der chronische Schmerz in der Trauer um dein Tier
Doch manchmal bleibt der Schmerz. Er verändert sich nicht, sondern zieht sich mit all seiner Gewalt in die Tiefe des Menschen zurück. Er wird vielleicht im Außen stiller, aber innerlich nicht leichter. Man funktioniert wieder, lacht vielleicht sogar, doch innerlich bleibt etwas blockiert. Dann beginnt eine andere Form des Leidens: nicht mehr akut, sondern chronisch.
Chronischer Trauerschmerz unterscheidet sich vom akuten vor allem durch seine Dauer und seine Wirkung auf den Körper. Während der akute Schmerz meist nach einigen Wochen oder Monaten abklingt, bleibt der chronische bestehen – oft über Jahre. Er verliert seine natürliche Warnfunktion und wird selbst zur Belastung. Das Nervensystem bleibt im Alarmzustand, Stresshormone wie Cortisol zirkulieren dauerhaft, der Schlafrhythmus verschiebt sich, das Immunsystem erschöpft sich.
Die Betroffenen spüren eine innere Starre, ein Gefühl von Getrenntsein. Trauerforschung und Psychotherapie sehen darin keine „falsche“ Trauer, sondern einen Hinweis darauf, dass der Verlust noch keinen Platz im inneren Leben gefunden hat. Spätestens das ist der Punkt, an dem Begleitung wichtig wird, um Schmerz in Bewegung zu bringen, bevor er das ganze System blockiert.
Den Schmerz fühlen und das gebrochene Herz heilen
Was hilft also, bevor Schmerz zur Starre wird? Die Antwort ist: Bewegung.
Nicht nur körperlich, sondern auch emotional, sozial und kreativ. Alles, was wieder Verbindung schafft, hilft dem Gehirn, neue Bahnen zu bilden.
Darüber reden
Ich mag den Satz: „Trauer ist Beziehung, die sich nach einem neuen Ausdruck sehnt.“ Die Angst des Vergessens ist eine der größten nach dem Verlust eines geliebten Tieres. Weniger jene, selbst zu vergessen – auch wenn das eine Rolle spielt – sondern vielmehr, dass das geliebte Tier recht schnell im Leben der anderen keine Rolle mehr spielt. Die äußere Welt dreht sich weiter, während die eigene zuerst stillsteht und dann erst neu wieder erschaffen werden muss. Schließlich gibt es die Welt, so wie sie war, nicht mehr ohne das geliebte Tier. Das mag jetzt etwas melodramatisch klingen, entspricht aber der Realiät. Wenn ein so wichtiger Teil des eigenen Lebens fehlt, ist die Welt eine andere.
Darum ist darüber reden so wichtig. Denn wenn du über dein Tier sprichst, über seine Eigenheiten, eure gemeinsamen Rituale, beginnt Heilung. Denn Gespräche, Begleitung und Austausch aktivieren im Gehirn jene Netzwerke, die Sicherheit vermitteln.
In meiner Online-Trauergruppe findest du genau diesen geschützten Raum: Menschen, die wissen, wie es ist, wenn Stille plötzlich alles ist und was es heißt, sich in dieser neuen Welt nicht nur zurecht zu finden, sondern sie aktiv zu gestalten.
Studien zeigen, dass soziale Unterstützung den Spiegel der Stresshormone senkt, das sogenannte Bindungssystem aktiviert und so Gefühle von Trost und Sicherheit erzeugt. Das erklärt, warum Menschen, die in Gemeinschaft trauern, nachhaltiger ihr gebrochenes Herz heilen können, als jene, die sich isolieren.
Kreativität als Ausdruck deiner Gefühlswelt
Kreative Prozesse wie Schreiben, Malen oder Musik sprechen jene Teile des Gehirns an, die mit Emotion und Selbstregulation verbunden sind. Das ist insofern heilsam indem sie das Unfassbare greifbar machen.
Wenn du etwa schreibst, ordnest du unbewusst Gedanken, Emotionen, Erinnerungen.
Du gibst dem Chaos Struktur und das senkt messbar das Stressniveau.
Die Methode DEEP JOURNALING, mit der ich arbeite, fußt genau darauf: Sie verbindet positive Psychologie mit neurowissenschaftlicher Erkenntnis. Durch gezieltes Schreiben über das, was war und vor allem auch das, was für immer bleibt, lernt das Gehirn, Schmerz anders zu verarbeiten.
Aus Sicht der Neuropsychologie spricht man hier von intentionaler Neuroplastizität: Wiederholtes Schreiben über Gefühle und Bedeutungen aktiviert Areale im präfrontalen Kortex, die für Selbstregulation und Neubewertung zuständig sind. So wird emotionaler Schmerz schrittweise in narrative Ordnung überführt – eine der wirksamsten Strategien zur Traumaverarbeitung überhaupt. Und ja, der Tod eines geliebten Tieres kann traumatisch sein.
Ein liebevoller Begleiter dafür ist mein Erinnerungsbuch „Weil du in meinem Herzen weiterlebst“. Es bietet Raum für Worte, Gefühle, Erinnerungen in Form von Schnurrhaaren, Pfotenabdrücken und Fotos sowie für all die Liebe, Dankbarkeit und Verbundenheit die für immer beleiben.
Wenn du das Schreiben mit meiner Unterstützung ausprobieren möchtest, hol die gerne als Geschenk meine „Erste Hilfe für deine Trauer“.
Liebevolle Selbstfürsorge
Körper und Seele sind eng miteinander verbunden. Wenn du dich um den Körper kümmerst, beruhigst du auch den Geist. Bewusste Bewegung, Schlaf, Ernährung und liebevolle kleine Rituale regulieren das autonome Nervensystem und mindern körperliche Symptome.
Es geht nicht darum, dass du dadurch wieder besser „funktionierst“. Es geht vielmehr darum, dir selbst das zu geben, was dein Tier dir geschenkt hat: Zuwendung, Wärme, Aufmerksamkeit und Liebe.
Selbstfürsorge- und Achtsamkeitspraktiken, etwa bewusste Atmung, sanfte Bewegung, Zeit in der Natur, stärken die Aktivität des Parasympathikus, also jenes Systems, das innere Ruhe und Heilung ermöglicht. Manchmal hilft es, sich selbst eine Routine zu schaffen. Schon eine bewusst genossene Tasse Kakao am Abend, ein Spaziergang in beruhigender Umgebung, ein kleines Dankbarkeitsritual oder sich feste Auszeiten vom Alltag für dich und deine Trauer einzuplanen, haben eine große Wirkung.
Den Schmerz zu verwandeln, heißt NICHT, deinen Liebling zu vergessen.
Akuter Schmerz ruft: „Bleib stehen, das war wichtig.“
Chronischer Schmerz flüstert: „Ich habe Angst, weiterzugehen.“
Beide haben ihre Berechtigung, denn beide sind Teil der Liebe. Doch Heilung bedeutet, deinem Herz neue Wege zu zeigen.
Wenn du deinen Schmerz durch Worte, Gemeinschaft, Bewegung und kreative Ausdrucksformen begleitest, kannst du lernen, den Verlust zu integrieren. Und irgendwann wirst du merken, wie der Schmerz kleiner, leiser und seltener wird.
Schreibimpuls: Deinen Schmerz in Bewegung bringen
⏰ Nimm dir 15 Minuten Zeit
🧍♀️ Stell dich aufrecht hin, die Füße fest auf dem Boden
😮💨 Atme drei Mal tief ein und aus. Spüre, wie der Atem von Kopf bis Fuß durch dich hindurchfließt. Lass beim Ausatmen bewusst die Schultern sinken, verankere dich gut mit der Erde unter dir, gib dein Gewicht an sie ab.
Wenn du magst, schaukle mit deinem Körper so wie Trauer sich manchmal bewegt: vor und zurück, hin und her.
🛋️ Setz dich dann gemütlich hin
📝 Greif zu Stift und Papier und schreibe mindestens zehn Sätze, die mit den Worten beginnen:
„Heute bewegt meine Trauer …“
Denk nicht darüber nach, sondern höre, was dein Herz und dein Körper dir flüstern.
Wenn du fertig bist, lies dir deine Worte langsam laut vor und hör genau hin:
Was ist es, was dein Herz, deine Seele und / oder dein Körper sich von dir gerade wünschen? Und was kannst du tun, um diesem Wunsch nachzukommen?
Alles Liebe 🫶
Claudia






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