Erinnerungen: Plötzlich tut es wieder weh

Letzte Woche hat mir wieder gezeigt, dass Trauer nichts ist, was völlig verschwindet. Wenn wir sie gut verarbeiten, wird sie leichter, aber sie bleibt ein Teil von uns. Und manchmal reicht ein kleiner Gegenstand, um alte Wunden wieder aufzureißen …
Auf dem Bild sieht man einen roten Kater mit Halskrause und plötzlich sind da wieder Erinnerungen, die weh tun

„Jeden Tag ein Ding loswerden.“ Entweder wegwerfen, verschenken, spenden oder vielleicht auch mal verkaufen. Das habe ich mir für 2025 zusammen mit einer Freundin vorgenommen. Warum? Weil wir – wie die meisten Menschen in der westlichen Welt – viel zu viele Dinge mit uns „herumschleppen“. Und das meine ich im konkreten wie im übertragenen Sinne: also die Gegenstände an sich und die oft daran gebundenen, nicht immer schönen, Erinnerungen. Zum Beispiel Geschenke von Menschen, die in unserem Leben keine Rolle mehr spielen. Und wer bitte braucht drei Seifenspender? Ich mag diese Übung im Loslassen. Sie schafft Raum im Außen wie auch auf seelischer Ebene. Manchmal kommt vor dem befreienden Momente aber der Schmerz der Erinnerungen und plötzlich tut es wieder weh. 

 

Zwei Halskrausen, tausend Bilder 

„Die Trödel-Lade“ – so hat meine Oma die Schublade genannte, in der alles verstaut wurde, was man eben so hat und nie braucht. Ich vermute, die gibt es auch bei dir zuhause. Ich habe jedenfalls so eine, und natürlich stand sie am Beginn meiner „Trenn dich!“-Aktion. Woran ich mich nicht mehr erinnern konnte: nach Muckis Tod hatte ich wohl seine beiden Halskrausen – hier auch „Trichter“ genannt, hineingelegt. Ich habe keine Ahnung, warum ich sie damals nicht entsorgt habe. Ich hatte sie komplett vergessen. (Was schon erahnen lässt, dass ich kaum in diese Lade schaue.) Und plötzlich war die Trauer um Mucki – obwohl er morgen schon zwei Jahre nicht mehr bei mir ist – so nah wie schon lange nicht mehr.

Diese Halskrausen, die er in seinen sechzehneinhalb Jahren so oft tragen musste, haben mir kurzfristig die Traurigkeit zurückgebracht. Plötzlich waren da tausend Bilder und Erinnerungen und tat es wieder weh. Mucki nach seinen Augen-Operationen, Mucki mit seiner Kopfverletzung, Mucki mit seiner Wunde an seinem Flausch-Po, Mucki nach seiner Nasen-Amputation und vieles mehr. Da saß ich nun mit diesen beiden Plastikdingern in der Hand und Tränen in den Augen am Boden. Vielleicht kannst du dir vorstellen, wie schwer dieser Moment für mich war.  Es war höchste Zeit, mich von diesen beiden Trichtern zu trennen, und genau das habe ich an diesem Tag gemacht. 

Dieser Moment hat mir wieder gezeigt, dass Trauer nichts ist, was völlig verschwindet. Wenn wir sie gut verarbeiten, wird sie leichter und vermag nicht mehr unser ganzes Leben zu beeinflussen. Aber sie bleibt ein Teil von uns. Und manchmal reicht ein kleines Ding – ein Geruch, ein Bild, ein Gegenstand – um alte Wunden wieder aufzureißen. Trigger nennt man solche Dinge. Und es ist völlig normal, dass sie ab und zu auftauchen.

 

Was sind Trigger, und warum tut es plötzlich wieder weh?

Trigger sind Reize, die uns – bewusst und unbewusst – in schmerzhafte Zeiten unserer Vergangenheit schicken. Wenn du trauerst, können das zum Beispiel ein Spielzeug deines geliebten Tieres, ein bestimmter Ort oder sogar ein Geräusch sein. Vielleicht ist es der alte Schlafplatz deiner Katze oder ein Weg, an dem du immer mit deinem Hund spazieren gegangen bist. Oder eben ein bestimmtest Ding, das „über Umwege“ mit deinem Liebling zu tun hat. Der Hund eines Freundes hat einmal einen mit Angelhaken versehenen Köder gefressen und nur knapp überlebt. Daran muss er immer denken, wenn er bei uns an der Donau Fischer sieht.

 

Trigger holen dabei meist nicht nur die Erinnerung selbst zurück, sondern auch die schmerzhaften Gefühle, die du damals hattest. Und die können richtig intensiv sein – egal, wie viel Zeit vergangen ist.

 

Wie kannst du mit Triggern umgehen?

Wenn dein geliebtes Tier stirbt, gibt keinen Weg, Trigger komplett zu vermeiden, irgendetwas tut plötzlich immer wieder einmal weh. Umso wichtiger ist es, einen guten Umgang mit ihnen zu finden. Hier sind ein paar einfache Dinge, die dir dabei helfen können:

Nimm den Trigger bewusst an

Es ist okay, dass dich ein Trigger kurz aus der Bahn wirft. Versuche, nicht gegen das Gefühl anzukämpfen, sondern sieh hin und sag dir selbst: „Das ist meine Trauer, und es ist in Ordnung, sie zu spüren.“ Es darf weh tun – und es darf auch wieder aufhören zu schmerzen. 

Atme und werde achtsam

Wenn dich ein Trigger überrollt, hilft es, einen Moment innezuhalten. Schließe die Augen, atme tief ein und aus. Sehr wirkungsvoll ist es hier, doppelt so lange auszuatmen als du einatmest. Versuche dabei zu zählen. Einatmen und bis vier zählen, ausatmen und bis acht zählen. Wiederhole das ein paar Mal. Das hilft, dein Nervensystem wieder zu beruhigen. 

Sprich mit jemandem darüber

Es hilft enorm, über das zu reden, was in dir vorgeht. Egal, ob es eine gute Freundin, ein Familienmitglied oder eine Trauergruppe ist.  andere können dir das Gefühl geben, dass du nicht allein bist. Manchmal braucht es einfach ein Gegenüber, das zuhört und dich versteht.

 

Die Facebook Gruppe Pfotentrauer 🐾 und die Pfotentrauer Online Trauertreffen sind sichere Räume für deine Gefühle. 

Schreibe über deine Gefühle

Schreiben ist eine besonders einfache und wirkungsvolle Möglichkeit, um den Schmerz, den ein Trigger auslöst, zu verarbeiten. Es hilft dir, die Emotionen zu sortieren, sie anzunehmen und langsam wieder loszulassen. Vielleicht magst du diesen Impuls ausprobieren, den auch ich angesichts Muckis Trichtern und meinen traurigen Erinnerungen gemacht habe nachdem die erste Welle des Schmerzes abgeklungen ist.

 

Schreibimpuls: Den Schmerz in Dankbarkeit verwandeln

Das klingt auf den ersten Blick ziemlich komisch, ich weiß. Vielleicht spürst du auch einen inneren Widerstand dagegen, aber ich bitte dich, weiterzulesen. 

Beschreibe den Trigger

Schreib auf, was passiert ist. Was hast du gesehen, gehört oder gespürt? Warum hat dich genau dieser Moment so sehr berührt? Beschreib den Trigger, als würdest du ihn jemandem erklären, der nicht dabei war.

Schreibe über die Gefühle, die der Trigger ausgelöst hat

Versuch, ehrlich zu sein: Was kam hoch? Schmerz? Sehnsucht? Vielleicht auch Wut oder Ohnmacht? Beschreib diese Gefühle, als würdest du ihnen einen Platz auf dem Papier geben. Du kannst Sätze verwenden wie: „Ich fühle mich gerade so, als ob …“ oder „Das tut weh, weil …“. Es geht nicht darum, „richtig“ zu schreiben – lass es einfach deine Gedanken und Gefühle aufs Papier fließen.

Wechsle langsam die Perspektive

Frag dich: Woran erinnert dich dieser Trigger, was dir mit deinem Liebling wichtig war? Gab es schöne Momente, die mit diesem Gegenstand oder dieser Erinnerung verknüpft sind? Ich weiß, dass ist der schwierigste Teil. Schreib sie auf. Du kannst dir dazu Fragen stellen wie: „Warum war dieser Moment (oder dieser Gegenstand) für uns auch auf eine schöne Art bedeutsam?“

Finde einen positiven Abschluss

Am Ende nimm dir einen Moment, um deinem Liebling in einem Satz zu danken. „Auch wenn es weh tut, bin ich froh, dass ich diese Erinnerung an dich habe, denn …“ Lies dir diesen Satz drei Mal laut vor. Spürst du eine Veränderung deiner Gefühle? 

 

Um das Ganze für dich ein bisschen anschaulicher zu machen, habe ich hier für dich die Kurzversion zu meinem Trigger der Halskrausen von Mucki.
Den Trigger beschreiben: 

Als ich die beiden Halskrausen in der Hand hielt, katapultiere mich das sofort zurück in die Zeit, als Mucki sie tragen musste. Ich sah ihn wieder vor mir, wie genervt er von diesen Trichtern war. Immer wieder gelang es ihm, sich vom Trichter zu befreien, was nur bedeutete, dass er sie noch länger tragen musste, weil er die Wunde wieder aufgerissen hatte. 

Meine Gefühle: 

Es hat so wehgetan, weil ich mich plötzlich wieder so deutlich daran erinnert habe, wie oft er verletzt war, wie oft ich mir Sorgen um ihn gemacht habe und wie traurig es ihn machte, sie tragen zu müssen und Hausarrest zu haben. Mir hat es direkt das Herz zusammengezogen und ich hab mich so hilflos wie damals gefühlt, weil ich ihm das nicht ersparen konnte. 

Die andere Perspektive: 

Und dann muss ich daran denken, wie tapfer er war. Wie er sich von nichts unterkriegen hat lassen, wie lieb er auch in diesen schwierigen Momenten angesehen hat. Die Kuschelzeiten, in denen er unter meiner Aufsicht ohne den blöden Trichter sein durfte, haben ihn so glücklich gemacht. Stundenlang sind wir auf dem Sofa gelegen. Ich lesend, er schlafen. Er hat mir immer vertraut, egal was war und diese schweren Zeiten haben unsere Verbindung noch stärker gemacht.

Am Schluss stand dann:

„Danke, Mucki, dass du so ein Kämpfer warst und mir gezeigt hast, wie groß deine Liebe und dein Vertrauen in mich waren. Das ist es, was ich für immer in meinem Herzen tragen werde. Ich hab dich so lieb.“

Diese gerade einmal 10 Minuten schreiben halfen mir, die Trichter in Liebe loszulassen und sie leichten Herzens in den Müll zu werfen. Keine Trichter mehr für Mucki, kein Schmerz mehr für mich.

 

Vielleicht magst du das bei nächster Gelegenheit einmal ausprobieren.

Alles Liebe 🫶

Claudia 

 

PS.: In meinem Buch „Weil jede Trauer Liebe ist“ habe ich viele weitere hilfreiche Tipps und Anregungen für die Abschieds- und Trauerzeit für dich aufgeschrieben.

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Als ausgebildeter „Deep Journaling Instructor“ beschäftige ich mich seit Jahren mit der heilsamen Kraft des Schreibens. Wenn ich in einer schwierigen Lage bin, greife ich zu Stift und Papier und bin immer wieder begeistert, was sich durch Schreiben alles lösen lässt. Im Jänner 2023 musst ich nach über 16 Jahren meinen Seelenkater Mucki gehen lassen. Da habe ich beschlossen, aus meiner persönlichen Erfahrung des Trauerns und der heilsamen Kraft des Schreibens ein Programm zu entwickeln. Damit möchte ich Menschen in dieser Ausnahmesituation helfen, ihre Trauerreise so einzigartig und persönlich zu gestalten, wie das Leben mit ihrem Seelentier war.

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